Beschwerde gegen Vormundschaft auch nach Sorgerechtsverlust möglich

23.08.2023

Braunschweig/Berlin (DAV). Auch wenn ein Elternteil sein Sorgerecht entzogen wurde, kann er das Recht haben, gegen eine gerichtliche Entscheidung zur Vormundschaft für sein Kind Beschwerde einzulegen.

Seit der Ermordung ihrer Mutter lebt das 2019 geborene Mädchen bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Nachdem der Vater wegen des Mords an seiner Frau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wurde ihm das Sorgerecht für seine Tochter entzogen. Der Mann wollte erreichen, dass seine Schwester Vormund für die Tochter würde.

Das Amtsgericht entschied anders – es bestellte die Großeltern mütterlicherseits zu gemeinschaftlichen Vormündern. Diese seien dazu uneingeschränkt in der Lage. Auf das Gericht hätten sie den Eindruck gemacht, fit zu sein. Darüber hinaus unterstütze sie ihr in der Nähe lebender Sohn.

Die Schwester des Vaters sei grundsätzlich auch als Vormund geeignet. Zweifelhaft sei jedoch, wie sie den eventuell bevorstehenden Interessenkonflikt zwischen dem Mädchen und der Familie ihres Vaters handhaben werde. Sie sei ebenso wie ihre Eltern weiterhin von der Unschuld ihres Bruders überzeugt. Außerdem sei für das Mädchen größtmögliche Stabilität anzustreben, das heißt, ein erneuter Umzug sollte vermieden werden.

Der Vater legte Einspruch ein. Der Aufenthalt bei den Großeltern stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. Diese seien aufgrund ihres Alters und gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage, mit der Enkelin auf einem Spielplatz zu spielen oder sie die Treppen im Haus hoch- und runterzutragen. Auch bekomme das Kind bei ihnen ständig ihre noch nicht verarbeitete Trauer um die ermordete Tochter zu spüren. Über ihn und seine Familie werde negativ gesprochen.

Vater hat kein Sorgerecht mehr: Beschwerde gegen Vormundschaft zulässig?
Das Oberlandesgericht sah es wie das Amtsgericht. Die Richter betonten dabei, dass die Beschwerde zulässig sei. Der Vater sei trotz des Entzugs der elterlichen Sorge beschwerdeberechtigt. Im vorliegenden Fall habe der Vater bereits im Rahmen des Sorgerechtsentzugs den Vorschlag gemacht, eine Verwandte als Vormund zu bestellen. Auch als nicht mehr sorgeberechtigten Elternteil könne ihm die Beschwerdeberechtigung nicht abgesprochen werden.

Großeltern als Vormünder geeignet
Inhaltlich hatte der Vater jedoch keinen Erfolg. Die Großeltern seien als Vormünder geeignet. Dem Mädchen gehe es bei ihnen gut. Der Einwand des Vaters, dort sei seine Tochter einer sich negativ auf ihre Psyche auswirkenden ständigen Trauerkulisse ausgesetzt, habe sich nach Berichten unter anderem des Jugendamts als unrichtig herausgestellt.

Den Großeltern gelinge es offensichtlich trotz ihrer Trauer um ihre Tochter, ihrer Enkelin ein entwicklungsförderndes Umfeld zu bieten, um ihr ein unbeschwertes, kindgerechtes Aufwachsen sowie auch soziale Kontakte zu ermöglichen.

Ein weiteres wichtiges Argument für die Großeltern als Vormünder sei die Kontinuität. Das Mädchen lebe seit der Ermordung seiner Mutter dort und fühle sich offensichtlich sehr wohl. In aller Regel diene es dem Kindeswohl, eine gleichmäßige, stabile Erziehung und ebensolche äußeren Umstände zu gewährleisten.

Das Gericht nahm außerdem Bezug auf die Argumentation des Jugendamtes. Dieses hatte darauf hingewiesen, man könne nicht einschätzen, ob das Mädchen mit zunehmender Reife in der Auseinandersetzung mit dem Tod ihrer Mutter ein Bedürfnis nach Abstand zur Familie ihres Vaters verspüren werde. In diesem Fall würde eine erfolgreiche Traumaverarbeitung erschwert, würde sie im Haushalt ihrer Tante väterlicherseits leben.

Oberlandesgericht Braunschweig am 17. März 2023 (AZ: 1 UF 2/23)