Corona: Notbetreuung in der Schule „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“

19.11.2020

(red/dpa). Die Entscheidung, ob das Kind an einer coronabedingten Notbetreuung in der Schule teilnimmt oder nicht, ist eine „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“. Streiten sich die getrenntlebenden Eltern darüber, kann bei gemeinsamem Sorgerecht ein Elternteil die Entscheidungsbefugnis in dieser Frage gerichtlich übertragen werden.

Die Mutter wollte die beiden bei ihr lebenden Söhne zur schulischen Notbetreuung anmelden, um ihnen unter Corona-Bedingungen eine erweiterte Präsenzbeschulung zu ermöglichen. Der Vater, mit dem sie sich das Sorgerecht teilt, war dagegen und teilte dies auch der Schule mit.

Das Gericht übertrug der Mutter die alleinige Entscheidungskompetenz in der Frage. Zwar umfasse normalerweise die Alltagskompetenz des betreuenden Elternteils auch die Frage einer zusätzlichen Betreuungsform in der Schule. Angesichts der veränderten schulischen Rahmenbedingungen während der Pandemie und der Ablehnung des Vaters habe die Frage allerdings eine höhere Bedeutung bekommen und sei eine „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ (im Sinne von § 1628 BGB).

Eltern: Wer entscheidet bei Streit über schulische Notbetreuung während Pandemie
In der Sache seien Mutter und Kinder auf die Notbetreuung angewiesen. Die Mutter habe durch eidesstattliche Versicherung und Vorlage einer Arbeitgeberbescheinigung glaubhaft gemacht, dass sie eine Präsenzpflicht am Arbeitsplatz habe. Darüber hinaus wäre die Notbetreuung auch im Vergleich zur elterlichen Betreuung die bessere Option. So erhielten die Kinder während des eingeschränkten regulären Schulbetriebs Förderung und Beaufsichtigung.

Die Sorge des Vaters, dass die Notbetreuung ein höheres Infektionsrisiko berge, teilte das Gericht nicht. Angesichts der Schutzvorkehrungen sei dieses Risiko gemildert und abzuwägen gegen die Nachteile einer andauernden Isolation zuhause. Die Kinder, deren Eltern die Voraussetzungen für die Notbetreuung erfüllten, seien in der augenblicklichen Lage privilegiert. Auch in der Notbetreuung gebe es einen qualifizierten pädagogischen Ansatz, und die Außenkontakte dürften der kindlichen Entwicklung förderlich sein.

Vor diesem Hintergrund ist die Anordnung des Gerichts zu verstehen, der Mutter die Entscheidung dieser Frage zu übertragen. Sie solle, so das Gericht, „die schulische Förderung und Anleitung der Kinder in bestmöglicher Form“ sicherstellen.

Amtsgericht Aachen am 15. Mai 2020 (AZ: 220 F 136/20)