Erbe: Trotz Interessengegensatz kein Entzug der elterlichen Vertretungsmacht

12.09.2022

(red/dpa). Sind Eltern und Kindern gemeinsam Erben, kann sich ein Interessengegensatz ergeben. Wie damit umgehen, wenn doch die Eltern die Vertretungsmacht für die Kinder haben?

Die Mutter zweier Töchter – eine davon noch minderjährig – war von ihrer verstorbenen Mutter als Haupterbin eingesetzt worden. Daneben sollten ihre Töchter, also die Enkelinnen der Erblasserin, je nach Wert des hinterlassenen Gesamtvermögens Wertpapiere im Wert von 200.000 Euro und gegebenenfalls weitere 75.000 Euro erben.

Eltern und Kind: Ergänzungspflegschaft wegen gemeinsamen Erbes?
Das Nachlassgericht sah hier einen möglichen Interessengegensatz zwischen den Erben. Daraufhin beschloss das Familiengericht, wegen der Kollision der Interessen der Mutter mit denen ihrer minderjährigen Tochter beiden Eltern für das Verfahren zur Erbscheinerteilung die Vertretungsmacht zu entziehen und eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen.

Je nach Auslegung des Testaments könne sich eine unterschiedliche Höhe des Erbes für Kind und Mutter ergeben. Die Entziehung der Vertretungsmacht nur der Mutter sei nicht sinnvoll. Man müsse davon ausgehen, dass sich aufgrund des Näheverhältnisses des Vaters zur Mutter, seiner Ehefrau, der Interessengegensatz fortsetzen würde. Er müsste sich dann gegebenenfalls zu Gunsten seiner Ehefrau oder seiner Tochter aussprechen. Bei der Bestellung der Großeltern als Ergänzungspfleger würde sich diese Interessenkollision entsprechend fortsetzen.

Gegen den Beschluss legten die Eltern Beschwerde ein. Sie hätten Verständnis dafür, dass ein Interessenkonflikt und eine Benachteiligung des Kinds verhindert werden solle. Sie seien jedoch der Ansicht, dass sie selbst die Aufteilung des Erbes vornehmen könnten. Sie würden dabei die für ihr Kind günstigste Auslegung vornehmen. Eine Ergänzungspflegschaft sei nicht nötig, zumal diese Pflegschaft bezahlt werden müsse.

Erbe: Entzug der Vertretungsmacht für das Kind nur bei erheblichem Interessengegensatz
Das sah das Oberlandesgericht genauso. Die Vertretung des Kinds könne den sorgeberechtigten Eltern nur dann entzogen werden, wenn ein erheblicher Interessengegensatz bestehe und darüber hinaus nicht zu erwarten sei, dass die Eltern trotz des Interessengegensatzes im Interesse des Kinds handelten. Im vorliegenden Fall gingen die Richter aufgrund der Ausführungen der Eltern davon aus, dass sie sich am Kindeswohl orientieren würden.

Bei allen Eingriffen in das Elternrecht sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu wahren. Sei also trotz des konkret festgestellten Interessenwiderstreits zu erwarten, dass die Sorgerechtsinhaber im Interesse ihres Kinds handeln würden, müsse man von einer Entziehung der Vertretungsmacht absehen. Bei einer Entscheidung über die Entziehung sei auch der Gesichtspunkt des Familienfriedens zu berücksichtigen.

Oberlandesgericht Nürnberg am 20. Juni 2022 (AZ: 7 WF 434/22)