Erstausbildung mit 45 Jahren: Vater muss trotzdem Kindesunterhalt zahlen

17.05.2022

(red/dpa). Unterhaltspflichtige Mütter oder Väter haben eine so genannte gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern. Eine berufliche Erstausbildung hat allerdings Vorrang – aber nicht immer.

Der Vater sollte für seine beiden Söhne Kindesunterhalt in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindestunterhalts abzüglich des staatlichen Kindergelds zahlen. Der 45-jährige Mann hatte keine Berufsausbildung und arbeitete für eine Leiharbeitsfirma. Er behauptete, nicht zahlen zu können. Mit seiner derzeitigen Tätigkeit erfülle er seine Verpflichtung, erwerbstätig zu sein. Eine weitergehende Tätigkeit sei ihm aus medizinischen Gründen nicht zuzumuten. Zudem habe er eine Ausbildung zum Fachlageristen begonnen und erhalte nur noch eine monatliche Ausbildungsvergütung von 580 Euro.

Fiktive Tätigkeit Grundlage für Berechnung des Unterhalts
Das Gericht verpflichtete den Mann, den Mindestunterhalt zu zahlen. Die Richter hatten dabei ein Einkommen aus einer fiktiven Tätigkeit in Vollzeit zugerechnet.

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bestimme sich nämlich nicht allein durch sein tatsächliches Einkommen, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit. Reichten seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so sei er verpflichtet, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen. Insbesondere müsse er seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einsetzen. Er müsse sich „unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten“ um einen hinreichend entlohnten Arbeitsplatz bemühen. Darüber hinaus habe er alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt seiner Kinder zu verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf zu nehmen. Bei Arbeitsstellen mit geringem Einkommen sei entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, etwa ergänzende Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten.

Berufsausbildung mit 45 Jahren – Vater muss trotzdem Unterhalt zahlen
Dass der Mann sich seit kurzem in einer Ausbildung befinde, spiele keine Rolle. Zwar habe eine Erstausbildung in der Regel auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht Vorrang. Anders verhalte es sich aber, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf ungelernte Tätigkeiten beschränkt habe. Das sei hier der Fall. Einen besonderen Anlass dafür, die Arbeits- und Verdienstchancen gerade jetzt – wenige Monate nach Verfahrensbeginn – durch eine Ausbildung zu verbessern, habe der Mann nicht benannt. Daher könne er sich gegenüber seinen Kindern nicht auf sein Recht auf Erstausbildung berufen.

Oberlandesgericht Bamberg am 09. Februar 2022 (AZ: 7 UF 196/21)