Freiwilliger Wechsel auf schlechter bezahlte Stelle – niedrigeres Einkommen senkt nicht Kindesunterhalt

04.01.2022

(red/dpa). Elternteile, die zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet sind, müssen ihre berufliche Qualifikation so gut wie möglich ausschöpfen. Wechseln sie freiwillig auf eine geringer bezahlte Stelle, kann das bedeuten, dass sie sich ein fiktives höheres Einkommen anrechnen lassen müssen. Sie müssen dann auch höheren Unterhalt zahlen.

Die beiden Töchter der getrenntlebenden Eltern wohnen bei ihrer Mutter. Seit September 2017 arbeitet ihr Vater als Elektriker und verdient durchschnittlich rund 1.700 Euro monatlich. In demselben Beruf verdiente er bei seiner vorhergehenden Arbeitsstelle in Luxemburg durchschnittlich rund 2.200 Euro. 2018 wurde der Mann erneut Vater und heiratete kurz darauf die Mutter des Kinds. Die Familie bezieht Leistungen nach dem SGB II.

Die beiden Töchter verlangten von ihrem Vater für die Zeit ab September 2017 die Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts, womit dieser jedoch nicht einverstanden war. Er sei im Hinblick auf etwaige Kindesunterhaltsansprüche nicht leistungsunfähig. Daher lägen auch die Voraussetzungen einer Zurechnung fiktiver Einkünfte nicht vor.

Fiktives Einkommen Grundlage für Höhe des Kindesunterhalts
Das sah das Gericht anders. Der Mann musste sich fiktive Einkünfte zurechnen lassen. Das heißt, er muss sich so behandeln lassen, als hätte er seine Arbeitsstelle in Luxemburg nicht aufgegeben. Außerdem rechneten die Richter ihm ein weiteres fiktives Einkommen zu, das er im Rahmen eines Minijobs hätte verdienen können.

Eltern sind ihren minderjährigen Kindern gegenüber in gesteigertem Maße zum Unterhalt verpflichtet. Das heißt, der Vater muss alle ihm verfügbaren Mittel gleichmäßig zur Sicherstellung seines eigenen Unterhalts und desjenigen seiner beiden Töchter verwenden.

In dem Fall, dass ein Unterhaltsverpflichteter „eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit“ nicht wahrnehme, könnten nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, erläuterten die Richter.
Dies gelte grundsätzlich auch für einen Wechsel der Arbeitsstelle. Die eigenen beruflichen Qualifikationen müssten bestmöglich ausgenutzt werden. Daher sei ein Wechsel auf eine geringer bezahlte Stelle nur dann anzuerkennen, wenn beachtenswerte Gründe vorlägen.

Oberlandesgericht Koblenz am 9. September 2020 (AZ: 9 UF 701/19)