Impfung einer Vierzehnjährigen nur mit ihrer Einwilligung

03.05.2022

(red/dpa). Einer Corona-Impfung muss ein 14-jähriger Jugendlicher selbst zustimmen. Die Eltern dürfen nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden.

Das 14-jährige Mädchen lebt im Haushalt der Mutter und hat regelmäßig Kontakt zu ihrem Vater. Die Eltern sind getrennt, haben jedoch das gemeinsame Sorgerecht für die beiden Kinder. Sie konnten sich nicht darüber einigen, ob das Mädchen gegen Corona geimpft werden sollte. Der Vater befürwortete die Impfung. Er orientierte sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts. Es gehe ihm auch um den Schutz der Angehörigen und der Gesellschaft. Die Mutter lehnte eine Impfung ab.

Der Vater beantragte, ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung die alleinige Entscheidung über die Impfung zu übertragen. Das Familiengericht stimmte dem zu.

Das Mädchen legte Beschwerde ein, da sie sich zurzeit nicht impfen lassen wolle. Sie könne schlecht beurteilen, wie sich eine Impfung auf sie auswirke, in ihrem Freundeskreis sei derzeit niemand geimpft. Deshalb wolle sie zunächst ein Beratungsgespräch mit ihrer Kinderärztin führen.

Ihre Beschwerde hatte Erfolg. Grundsätzlich spreche zwar viel dafür, in einem Fall wie dem vorliegenden die Entscheidungsbefugnis demjenigen Elternteil zu übertragen, der in Übereinstimmung mit der Empfehlung der STIKO diese Impfung befürwortet. Bei Jugendlichen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, müsse jedoch deren Einwilligung in die Impfung hinzukommen.

Jede medizinische Maßnahme bedürfe der persönlichen Einwilligung des Patienten, sofern dieser einwilligungsfähig sei. Der Arzt sei verpflichtet, den Patienten selbst über sämtliche wesentlichen Umstände aufzuklären. Nichts anderes habe die Tochter mit ihrer Beschwerde und der Bitte um ein Beratungsgespräch mit der ihr vertrauten Kinderärztin eingefordert.

Das Mädchen habe gleichzeitig darauf verwiesen, dass die unterschiedlichen Positionen der Eltern sie sehr belasteten. Angesichts dessen wäre es Aufgabe und Ausdruck der sorgerechtlichen Verantwortung beider Eltern, die Zweifel und die Zerrissenheit der Tochter ernst zu nehmen. Das gelte insbesondere für den Vater, der jedoch stattdessen unter Berufung auf die eigene Fachkompetenz die Bedenken seiner Tochter beiseiteschiebe. Er müsse ihr bei einer eigenen Willensbildung helfen, anstatt diese von vornherein für irrelevant zu erklären.

Impfung: Auch Willen des Kinds zählt
Ohne jede Einbindung der Tochter werde eine Entscheidung nicht möglich sein. Auf den Willen des Kinds sei Rücksicht zu nehmen – jedenfalls dann, wenn mit zunehmender Reife die Selbstbestimmung des Kinds an Gewicht gewinne und es sich eine eigenständige Meinung bilden könne.

Für die Einwilligungsfähigkeit gebe es zwar keine feste Altersgrenze, da es stets auf die individuelle Entwicklung des Kinds ankomme. Das Gesetz gehe an vielen Stellen davon aus, dass mit der Vollendung des 14. Lebensjahres grundsätzlich ein gewisses Maß an Einsichtsfähigkeit und Eigenverantwortung vorhanden sei. So würden etwa Kinder mit 14 Jahren strafmündig.

Damit aber das minderjährige Kind die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit umsetzen kann, müsse es selbst ärztlich aufgeklärt werden. Führe diese Aufklärung dazu, dass das Kind die Impfung ablehne, könnten die Eltern sie selbst dann nicht erzwingen, wenn sie die Impfung beide befürworteten.

Oberlandesgericht Dresden am 28. Januar 2022 (AZ: 20 UF 875/21)