Kindesunterhalt statt Immobilienkauf

11.10.2022

(red/dpa). Ein unterhaltspflichtiges Elternteil ist seinen Kindern gegenüber in einem gesteigerten Maße unterhaltspflichtig. Das heißt, er muss unter Umständen auch große Teile seines so genannten Vermögensstamms verwenden, um den Unterhalt zu zahlen. Daran ändert auch die Absicht nichts, diesen für die Altersversorgung verwenden zu wollen.

Nach der Trennung der Eltern hatte der Vater die Ehewohnung, die ihm allein gehörte, für 650.000 Euro verkauft. Von dem Kaufpreis tilgte er ein Darlehen bei seinem Stiefvater über 45.000 Euro. Unklar ist, ob er wie behauptet auch ein weiteres Darlehen bei seiner Mutter über 430.000 Euro zurückzahlte. Im September 2020 stellte er die Unterhaltszahlungen für seine beiden Töchter ein. Die Mutter der Töchter forderte vom Vater die Zahlung des gesetzlichen Mindestunterhalts.

Erlös aus Wohnungsverkauf für Kindesunterhalt?
Dieser behauptete, allenfalls 300 Euro für beide Kinder zahlen zu können. Er habe für die Finanzierung der Wohnung 2005 bei seiner Mutter ein Darlehen aufgenommen. Dieses habe er aus dem Verkaufserlös abgelöst. Ferner müsse er für die Einlagerung seiner Möbel monatlich rund 650 Euro und seinen Eltern für seinen Aufenthalt in ihrem Haus einen monatlichen Kostenbeitrag von „ca. 700 Euro“ zahlen. Darüber hinaus war er außerdem der Meinung, er müsse den restlichen Verkaufserlös nicht für den Kindesunterhalt einsetzen.

Das sah die Gerichte in erster und zweiter Instanz anders: Der Vater muss den Mindestunterhalt zahlen. Die behauptete Darlehensrückzahlung an seine Mutter könne er nicht vom so genannten unterhaltsrelevanten Einkommen abziehen. Die Interessen seiner Töchter seien hier vorrangig. Darüber hinaus habe er nicht nachweisen können, dass er sich ernsthaft um eine Reduzierung oder Stundung der Ratenzahlungen an seine Mutter bemüht habe.

Unterhaltszahlungen aus dem bestehenden Vermögen
Sei er nicht in der Lage, den Unterhalt aus seinem laufenden Einkommen zu zahlen, müsse er dafür sein vorhandenes Vermögen einsetzen. Eltern seien ihren minderjährigen Kindern gegenüber in einem gesteigerten Maße unterhaltspflichtig. Sie seien verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Das heißt, der Vater muss hier sein vorhandenes Vermögen einsetzen.

Er dürfe einen Betrag von mindestens 175.000 Euro (650.000 Euro aus dem Verkauf abzüglich der beiden Darlehen) nicht auf eine unbestimmte „mittlere Frist“ zu Lasten seiner unterhaltspflichtigen Kinder für sich behalten. Der Vater hatte angegeben, den Kauf einer neuen Immobilie finanzieren zu wollen, um damit seine Altersvorsorge zu betreiben. Muss ein Unterhaltspflichtiger seinen Vermögensstamm verwerten, gilt, dass nur kleinere Vermögensteile geschont werden können, damit ihm eine Reserve für Notfälle oder als Altersvorsorge bleibt.

Oberlandesgericht Frankfurt/Main am 19. Mai 2021 (AZ: 4 UF 41/21)