Nach acht Monaten Ehe Anspruch auf Witwengeld

21.12.2022

(DAV). Stirbt ein Ehepartner nach sehr kurzer Ehe, kann die Vermutung berechtigt sein, dass es sich um eine so genannte Versorgungsehe gehandelt hat. Darunter versteht man eine Ehe, die geschlossen wurde, um dem überlebenden Ehepartner eine Witwen- oder Witwerrente zu sichern.

Die Frau hatte ihren späteren zweiten Ehemann 2013 kennengelernt. 2014 zog sie bei ihm ein. Kurz darauf wurde bei dem Ruhestandsbeamten ein Karzinom diagnostiziert. Die Therapie schlug an und der Mann konnte die Erkrankung überwinden. Nachdem die Frau 2015 von ihrem früheren Ehemann geschieden worden war, reservierten sie und ihr Partner einen Heiratstermin für den 6. Juni 2016.

Ende Dezember 2015 wurden bei dem Mann Metastasen im Hirn diagnostiziert.
Im Januar 2016 gab das Paar beim Standesamt ihre Heiratsunterlagen ab. Bei dieser Gelegenheit teilte ihnen der Standesbeamte mit, dass sie sogleich heiraten könnten – das Paar entschied sich noch am selben Tag, das zu tun. Im August darauf starb der Mann.

Kurze Ehedauer: Annahme der Versorgungsehe
Die Frau beantragte Witwengeld, was ihr verweigert wurde. Es habe sich um eine Versorgungsehe gehandelt, zumal der Mann vor der Eheschließung schwer erkrankt gewesen sei. Zwar sei bereits vor der Verschlechterung des Gesundheitszustands ein Heiratstermin beim Standesamt reserviert worden. Aufgrund der akuten und absolut lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands sei dieser jedoch um circa fünf Monate vorverlegt worden. Die Verlegung des Heiratstermins sei ganz offensichtlich nur deshalb erfolgt, weil der Tod des Ehemanns vor dem ursprünglich geplanten Termin wohl nahegelegen habe. „Wer aber noch schnell eine Ehe eingehe, um vor dem Tod noch den Ehestand nachweisen zu können, habe die Versorgungsabsicht auf keinen Fall widerlegt.“

Die Witwe klagte und bekam in zweiter Instanz Recht. Die Richter zeigten sich überzeugt, dass die Ehe keinesfalls nur aus Versorgungsgründen geschlossen wurde, sondern vor allem aufgrund der inneren Verbundenheit der beiden und ihres Wunsches, als Ehepaar zusammenzuleben. Die nicht-versorgungsorientierten Beweggründe hätten zumindest gleichgewichtig neben etwaigen Versorgungsaspekten bestanden.

Aus Liebe geheiratet – trotzdem Versorgungsehe?
Für die Annahme, dass eine Witwenversorgung nicht der „alleinige oder überwiegende“ Heiratszweck sei, sei es ausreichend – aber auch notwendig –, dass es für die Eheschließung auch andere zumindest gleichwertige Gründe gegeben habe.

Dafür spreche hier zum einen, dass das Paar bereits im Herbst 2015 beim Standesamt gewesen sei, um einen Termin zu reservieren. Dem komme schon deshalb großes Gewicht zu, weil sich laut behandelnder Klinik im Februar, Mai und November 2015 – also gerade zum Zeitpunkt der standesamtlichen Terminvereinbarung – bei dem Mann keine Hinweise auf ein Fortbestehen der Tumorerkrankung mehr gefunden hätten. Das spätere Ehepaar hätte also gerade nicht damit rechnen müssen, dass der Mann lebensbedrohlich erkrankt sein könnte.

Zum anderen habe die Frau gerade auch in der Zeit von Juni 2014 bis Februar 2015, als bei ihrem Partner das Karzinom diagnostiziert und behandelt worden sei, mit ihm weiterhin zusammengelebt und ihre Scheidung vorangetrieben.
Vor diesem Hintergrund spreche die Tatsache, dass die Ehe nicht wenigstens ein Jahr gedauert habe, nicht gegen die Bewilligung von Witwengeld. Die Annahme, dass es der "alleinige oder überwiegende" Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, sei nicht gerechtfertigt.

Verwaltungsgerichtshof Bayern am 01. Juni 2022 (AZ: 14 B 20.1283)