Ruhen der elterlichen Sorge statt Sorgerechtsentzug

01.10.2024

(red/dpa). Beantragt das Jugendamt den Entzug des Sorgerechts, prüft das Gericht, inwieweit das Kindeswohl gefährdet ist. Unter Umständen ist auch das Ruhen des elterlichen Sorgerechts als milderes Mittel ausreichend.

Die Mutter war mit ihren vier Kindern 2022 in die Bundesrepublik eingereist. Der Aufenthaltsort des Vaters ist unbekannt. Drei der vier Kinder leben inzwischen wieder im Heimatland der Familie. Das vierte Kind wurde nach einer anonymen Gefährdungsmeldung und Überprüfung durch das Jugendamt in Obhut genommen.

Nachdem die Mutter ihr anfängliches Einverständnis mit der Fremdunterbringung wieder zurückgezogen hatte, entschied das Amtsgericht, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht auf Beantragung von Hilfen zur Erziehung zu entziehen und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger zu bestellen. Kurz darauf beantragte das Jugendamt den Eltern auch die Teilbereiche der elterlichen Sorge betreffend schulische Angelegenheiten und Vermögenssorge zu entziehen und auch hier eine Vormundschaft einzurichten.

Der regionale soziale Dienst habe die Mutter nicht mehr erreichen können. Sie habe angeben, für etwa drei Wochen in ihr Heimatland fahren zu wollen, sei dann aber erst deutlich später wieder zurückgekehrt. Nun wolle sie wieder dorthin reisen, und es sei unklar, wann sie wieder nach Deutschland komme. Es gebe immer wieder akuten Bedarf, für die Tochter Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel Krankenversicherung und Schulbesuch betreffen. Darüber hinaus habe die Mutter angegeben, ihre Wohnung in Deutschland auflösen zu wollen, so dass auch zukünftig nicht gewährleistet sei, dass man sie erreichen könne.

Entzug oder Ruhen der elterlichen Sorge?
Das Oberlandesgericht entschied, das Ruhen der elterlichen Sorge und die Einrichtung einer Vormundschaft anzuordnen. Diese Maßnahme stelle im Vergleich zum Entzug der elterlichen Sorge das mildere Mittel dar und sei ausreichend. Denn sobald die Eltern wieder erreichbar seien, ende das Ruhen der elterlichen Sorge und sie könnten ihr Sorgerecht wieder ausüben. Dagegen bestehe der Entzug des Sorgerechts solange, bis ein Familiengericht die elterliche Sorge wieder auf die Eltern bzw. hier die Mutter zurück übertrage.

Das Sorgerecht ruhe, wenn das Familiengericht feststelle, dass die Eltern auf längere Zeit die elterliche Sorge nicht ausüben könnten. Dabei sei eine bloße körperliche Abwesenheit nicht ausreichend, sofern die Eltern ihre Kinder gut versorgt wüssten und durch moderne Kommunikationsmittel oder Reisemöglichkeiten auch aus der Ferne Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge nehmen könnten.

Wann kann Ruhen des elterlichen Sorgerechts angeordnet werden?
Nur dann, wenn der Elternteil dies auf längere Zeit nicht könne – zum Beispiel durch Abwesenheit ohne weitere Kontaktpflege oder einen Aufenthalt im Ausland ohne Einfluss auf die Ausübung des Sorgerechts – sei das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen. Das sei hier der Fall. Der Aufenthaltsort der Eltern sei unbekannt, auch die Tochter kenne ihn nicht und habe auch keine gesicherten Kontaktmöglichkeiten zu ihnen. Die Mutter habe sich zudem in ihrer Zeit in Deutschland hinsichtlich Absprachen mit dem Jugendamt als unzuverlässig erwiesen. Eine Einbindung der Eltern in Entscheidungen, die die Tochter beträfen, sei daher nicht möglich.

Oberlandesgericht Hamm am 6. Februar 2024 (AZ: 4 UF 169/23)