Schulabbruch und späteres Studium: Vater muss Ausbildungsunterhalt zahlen

07.06.2022

(red/dpa). Kinder haben grundsätzlich nur Anspruch auf eine Ausbildung, nicht auf mehrere. Eine zweite Ausbildung müssen die Eltern nicht finanzieren. Anders verhält es sich aber, wenn diese als Weiterbildung anzusehen ist.

Der Mann sollte Ausbildungsunterhalt für seinen Sohn zahlen. Nachdem dieser seinen Realschulabschluss gemacht hatte, besuchte er eine Fachoberschule mit dem Schwerpunkt Architektur und Bau. Die Schule verließ er zunächst ohne Abschluss. Von 2011 bis 2014 absolvierte er eine Lehre als Bauzeichner. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahres kehrte der Sohn an die Fachoberschule zurück und legte im Jahre 2016 seine Fachhochschulreife mit der Note 1,7 ab. Vom Wintersemester 2016/17 bis Sommersemester 2019 studierte er Architektur und schloss mit einem Bachelorabschluss ab. Für die Zeit seines Studiums hatte der junge Mann Ausbildungsförderung erhalten.

Wann müssen Eltern Studium nach Berufsausbildung zahlen?
Sein Vater war der Meinung, dass er seinem Sohn gegenüber nicht mehr verpflichtet gewesen sei, Ausbildungsunterhalt zu zahlen: Es handele sich bei dessen Studium um eine Zweitausbildung. Er habe nach dem Abbruch der Fachoberschule nicht mehr damit habe rechnen müssen, dass sein Sohn auch noch studieren werde.

Das sah das Gericht anders: Der Vater muss zahlen. Grundsätzlich hätten Kinder zwar nur Anspruch auf eine Ausbildung. Hätten Eltern ihre Pflicht erfüllt, ihrem Kind eine angemessene Ausbildung zu finanzieren, seien sie ihrer Unterhaltspflicht ausreichend nachgekommen. Anspruch auf Ausbildungsunterhalt könne allerdings ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die weitere Ausbildung als bloße Weiterbildung anzusehen ist und von vornherein angestrebt gewesen sei. Dann hätten die Eltern ihre Verpflichtung erst erfüllt, wenn die geplante Ausbildung insgesamt beendet sei. Das gelte auch, wenn die erste Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung des Kinds deutlich gemacht habe.

Weitere Ausbildung als Fortbildung – Anspruch auf Ausbildungsunterhalt
Dies sei hier der Fall. Die Ausbildung zum Bauzeichner mit anschließendem Architekturstudium stehe in engem sachlichen Zusammenhang und sei als eine mehrstufige Ausbildung anzusehen.

Der Sohn habe in der persönlichen Anhörung überzeugend dargelegt, dass er auch nach Abbruch der Fachoberschule die Absicht gehabt habe, Architektur zu studieren. Die Schule habe er allein auf Grund persönlicher Schwierigkeiten abgebrochen. Die Lehre als Bauzeichner belege, dass er seinen Berufswunsch weiterverfolgt habe. Dies drücke sich auch darin beeindruckend aus, dass er sich mit der behördlichen Absage eines weiteren Besuchs der Fachoberschule nicht zufriedengegeben habe, sondern sich für einen Dispens engagiert habe. Er habe daraufhin die Fachoberschule besuchen dürfen und diese mit der Note von 1,7 abgeschlossen.

Der Vater könne sich nicht darauf berufen, er hätten nach dem Abbruch des Schulbesuchs nicht mehr damit rechnen müssen, dass sein Sohn studieren wolle. Er hätte Kontakt zu seinem Sohn aufnehmen und sich nach dessen Zukunftsplänen und Ambitionen erkundigen können.

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen am 19. Oktober 2021 (AZ: 4 UF 59/21)