Beschlüsse Kinder

Ablehnung von Bluttransfusionen: Kein Teilentzug der elterlichen Sorge

09.08.2023

(red/dpa). Lehnt ein Elternteil aus religiösen Gründen Bluttransfusionen grundsätzlich ab, kann dies zu massiven Konflikten zwischen den Eltern führen. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf das andere Elternteil muss das aber nicht rechtfertigen.

Der Vater hatte beantragt, ihm für den Sohn die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Vornahme einer Bluttransfusion und Operationen, für die eine Bluttransfusion erforderlich sein könnte, zu übertragen. Die Mutter des Jungen, von der der Mann getrennt lebte, lehnte als Zeugin Jehovas Bluttransfusionen grundsätzlich ab.

Ablehnung von Bluttransfusionen: Kann ein Elternteil allein entscheiden?
In zweiter Instanz wiesen die Richter den Antrag des Vaters zurück. Die von ihm gewünschte Regelung beschränke sich nicht auf eine konkrete Behandlungsentscheidung. Vielmehr wolle er grundsätzlich allein entscheiden können, sollte die Frage einer Bluttransfusion bei seinem Sohn anstehen. Es betreffe also keinen Einzelfall, in dem die Eltern ihre Meinungsverschiedenheiten nicht allein überwinden konnten, sondern einen Teilbereich der elterlichen Sorge. Dieser wäre aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern insgesamt herauszulösen und auf den Vater zu übertragen. Die Richter waren der Ansicht, dass das dem Wohl des Kinds nicht am besten entspreche.

Allein aus der grundsätzlich ablehnenden Haltung der Mutter gegenüber Bluttransfusionen könne man nicht schließen, dass sie auf Kosten der Gesundheit oder des Lebens ihres Kinds gegen eine Bluttransfusion entscheiden würde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Sohn nicht den Zeugen Jehovas angehöre und deren strenge Regeln daher für ihn nicht gelten würden. Hinzu komme, dass die Frage, welche Blutbestandteile erlaubt seien und welche nicht, sehr komplex sei. Während die Zeugen Jehovas die Gabe von Vollblut und den daraus abgetrennten Bestandteilen in jedem Fall ablehnten wird, sei die Entscheidung über die Gabe von sogenannten „Blutfraktionen“ dem einzelnen überlassen.

Was passiert, wenn Elternteil im Notfall allein gegen Transfusion entscheidet?
Wäre in einem Notfall nur die Mutter anwesend und würde die Zustimmung in eine zwingend erforderliche Transfusion verweigern, müsste das Familiengericht eingeschaltet werden. Es stünde dann eine missbräuchliche Ausübung des elterlichen Sorgerechts im Raum. Sollte im Ausnahmefall die gesundheitliche Situation des Sohns keine Zeit für diesen Weg lassen, läge ein Notfall vor. In diesem Fall sei der Arzt verpflichtet, das Leben und die Gesundheit des Kindes durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen, auch wenn es keinen gerichtlichen Ersatz der elterlichen Einwilligung gebe.

Kammergericht Berlin am 5. September 2022 (AZ: 16 UF 64/22)