Beschlüsse Kinder

Ausbildung unterbrochen – Kindergeldanspruch bleibt

04.11.2020

(red/dpa). Haben Eltern Anspruch auf Kindergeld, bleibt dieser auch bestehen, wenn das Kind die Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss – auch dann, wenn nicht feststeht, wann es die Ausbildung fortsetzen kann.

Die Frau bezog für ihren 1999 geborenen Sohn Kindergeld. Der Junge begann im August 2015 eine Lehre zum Zweiradmechatroniker. Die Ausbildung musste er im September 2018 unterbrechen, als er bei einem schweren Unfall einen Schädelbasisbruch und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt.

Nach der Behandlung im Krankenhaus durchlief der Junge einen Reha-Plan, um die Arbeitsfähigkeit als Zweiradmechatroniker in Ausbildung wiederzuerlangen. In diesem Rahmen fanden im September 2019 eine Arbeitserprobung und im Februar 2020 eine weitere berufsvorbereitende Maßnahme statt. Der Berufsausbildungsvertrag wurde nicht formal beendet.

Kindergeld trotz Unterbrechung der Ausbildung?
Die Familienkasse hob Ende 2018 die Kindergeldfestsetzung für den Sohn ab Januar 2019 auf, da die Ausbildung im Dezember beendet werde. Die Mutter informierte die Familienkasse über den Unfall und übersandte eine Erklärung ihres Sohns, dass er beabsichtige, die Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortzusetzen. Außerdem legte sie eine Bescheinigung der behandelnden Ärztin vor, aus der hervorging, dass das Ende der Erkrankung nicht vorhersehbar sei.

Die Familienkasse blieb bei ihrer Entscheidung. Der Sohn könne nicht mehr berücksichtigt werden, da er aufgrund der Erkrankung die Ausbildung in absehbarer Zeit nicht fortsetzen könne. Es fehle ein ärztlicher Nachweis mit einem bescheinigten absehbaren Ende der Erkrankung. Darüber hinaus forderte sie das bereits gezahlte Kindergeld für die Monate Oktober bis Dezember 2018 zurück.

Die Klage der Mutter war erfolgreich. Die Ausbildung des Sohns hatte sich durch den Unfall auf Mai 2019 verlängert und so hatte sie für den Zeitraum Oktober 2018 bis Mai 2019 Anspruch auf Kindergeld.

Ende der Erkrankung nicht absehbar – Kindergeldanspruch bleibt erhalten
Eine Unterbrechung der Ausbildung wegen einer Erkrankung sei grundsätzlich unschädlich, erläuterte das Gericht. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass das Kind in solchen Fällen den Willen habe, die Ausbildung zu absolvieren, aber aus objektiven Gründen daran gehindert sei. Das treffe auf den Sohn zu. Er sei erkrankt, sei aber weiterhin ausbildungswillig. Die Teilnahme an Eingliederungs- und berufsvorbereitenden Maßnahmen zeigten, dass er alles dafür getan habe, um seine Ausbildung auch beenden zu können.

Für die Richter spielte es keine Rolle, dass die Dienstanweisung der Familienkasse verlangt, mit einer ärztlichen Bescheinigung auch das voraussichtliche Ende der Erkrankung nachzuweisen. Denn zum einen sei das Gericht nicht an die Verwaltungsvorschriften gebunden. Zum anderen entbehre eine solche Forderung jeder gesetzlichen Grundlage. Gerade bei Erkrankungen wie hier dem Schädel-Hirn-Trauma dürfte eine solche Mitteilung zu Beginn der Behandlung oder der Maßnahmen auch nicht ernsthaft möglich sein.

Finanzgericht Münster am 01. Juli 2020 (AZ: 11 K 1832/19 Kg)