Beschlüsse Kinder

Elternrecht vor Kindeswohlgefährdung

21.10.2009

Spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Kind aufgrund der Trennung von den Pflegeeltern psychische Störungen entwickeln wird, besteht aber gleichzeitig auch eine beträchtliche Chance, dass das Kind bei den leiblichen Eltern ohne seelische Auffälligkeiten aufwachsen wird, darf den biologischen Eltern die Betreuung und Erziehung ihres Kindes nicht vorenthalten werden. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm am 21. Oktober 2009 (Az: II-12 UF 283/08, 12 UF 283/08).

Der 2006 geborene Junge lebte bei Pflegeeltern. Dem vorausgegangen waren zwei Krankenhausaufenthalte des Kindes wegen verschiedener, zum Teil lebensbedrohlicher Verletzungen. Das Strafverfahren gegen die Eltern wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung wurde jedoch eingestellt. Ein gutes Jahr später verlangten die Eltern, ihren Sohn wieder in ihre Obhut nehmen zu dürfen.

Die Richter des Oberlandesgerichts gaben ihnen Recht. Eltern sei das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder gesetzlich garantiert. Eine gerichtliche angeordnete Trennung des Kindes von seinen Eltern sei mit dem Elternrecht nur dann vereinbar, wenn ein erhebliches Fehlverhalten und damit eine erhebliche, nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls vorliege. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtige den Staat dazu, das Kind von ihnen zu trennen. Ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Eltern hätte hier jedoch nicht festgestellt werden können. Das gegen die Eltern eingeleitete Strafverfahren sei mangels Beweisen eingestellt worden.

Die Tatsache allein, dass für das Kind die Trennung von seinen Pflegeeltern eine erhebliche psychische Belastung bedeute, sei darüber hinaus kein ausreichender Grund, für den Verbleib des Kindes im Haushalt der Pflegeeltern zu plädieren. Laut Gutachter lasse sich nicht genau voraussagen, ob der Junge aufgrund der Trennung psychische Störungen entwickeln werde, auch wenn die Wahrscheinlichkeit deutlich steigen werde. Dies reiche jedoch nicht aus, um den Eltern die Betreuung und Erziehung ihres Kindes vorzuenthalten. Die Bedenken hinsichtlich der Kindeswohlgefährdung und die Interessen der Pflegeeltern müssten dagegen zurücktreten.