Beschlüsse Kinder

Hohe Hürden: Ersetzung der elterlichen Zustimmung zur Adoption

20.09.2022

(red/dpa). Lebt ein Kind langfristig bei Pflegeeltern, steht oft der Wunsch im Raum, das Kind zu adoptieren. Widerspricht ein leiblicher Elternteil der Adoption, können die Pflegeeltern versuchen, die Ersetzung der elterlichen Zustimmung durch das Gericht zu erreichen. Die Hürden dabei sind hoch.

Das 2017 geborene Kind lebt bei seinen Pflegeeltern. Seine leiblichen Eltern konsumierten Drogen, die Mutter auch während der Schwangerschaft. Das Kind kam daher in einer Klinik als Frühgeburt zur Welt und musste unter anderem wegen eines Drogenentzugssyndroms nach der Geburt intensivmedizinisch behandelt werden. Der aktuelle Aufenthalt der Mutter ist nicht bekannt. Im Alter von knapp vier Monaten kam das Kind zu seinen Adoptivpflegeeltern. Diese wollten das Kind adoptieren, was der leibliche Vater jedoch ablehnte.

Der Vater, der kein Sorgerecht hat, war seit 1994 mehrfach straffällig geworden. Seit Anfang Juni 2019 befindet er sich zur suchttherapeutischen Behandlung in der forensischen Psychiatrie. Er ist Vater zweier weiterer Kinder einer anderen Frau, die in der Türkei leben.

Zustimmung des Vaters zu Adoption durch das Gericht zu ersetzen
Der Amtsvormund des Kinds beantragte, die Zustimmung des Vaters zur Adoption durch das Gericht zu ersetzen. Der Vater sei aktuell und auf absehbare Zeit nicht in der Lage, sich selbst um das Kind zu kümmern. Zwar könne das Kind auch ohne Adoption bei den Adoptivpflegeeltern bleiben. Dagegen spreche jedoch unter anderem, dass ein solches Pflegschaftsverhältnis immer mit der Unsicherheit behaftet sei, ob das Kind dauerhaft bleiben werde. Außerdem hätten Vater und Kind bislang keinerlei Kontakt. Es bestehe keinerlei schützenswerte Bindung zwischen dem Kind und seinem Vater.

Der Vater betonte, er sei damit einverstanden, wenn das Kind weiterhin bei den Adoptivpflegeeltern lebe. Er sehe ein, dass er auch mittelfristig wohl nicht in der Lage sein werde, das Kind zu sich zu nehmen. Er wolle aber weiterhin Vater des Kinds bleiben und seine Vaterschaft auch aktiv ausüben.

Adoption: Interessen von Vater und Kind abwägen
Das Oberlandesgericht lehnte den Antrag des Amtsvormunds ab. Die Einwilligung des Vaters könne durch das Gericht ersetzt werden, „wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde“. Eben das konnten die Richter hier jedoch nicht erkennen. Es komme nicht allein darauf an, ob die Adoption für das Kind Vorteile biete, auch wenn diese erheblich seien. Vielmehr müssten die Interessen von Vater und Kind abgewogen werden.

Richtig sei, dass derzeit kein Vater-Kind-Verhältnis bestehe. Einen Vorwurf könne man dem Vater aber nur in Bezug auf die ersten Lebensmonate des Kinds machen. Dieses Versagen sei aber dadurch gemindert, dass der Vater zu dieser Zeit drogenabhängig war und sich in Haft befand. Mindestens ab November 2017 habe sich der Mann dann beharrlich und kontinuierlich um die Wahrnehmung seiner Elternrechte bemüht.

Die Richter waren auch nicht der Meinung, dass der Aufbau einer Vater-Kind- Beziehung endgültig gescheitert sei. Zwar sei nicht sicher absehbar, ob sich ein Kontakt und eine Einbindung des Vaters in das Leben des Kinds dauerhaft und verlässlich realisieren lasse. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Anbindung aber von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre, ließen sich aber auch nicht feststellen.

Was letztlich bleibe, sei die bei jedem Pflegeverhältnis bestehende Unsicherheit, ob die leiblichen Eltern nicht zukünftig doch wieder in der Lage sein würden, ihr Kind zu sich zu nehmen. Diese Unsicherheit wiege aber nicht so schwer, dass damit die Ersetzung der Einwilligung in die Adoption begründet werden könne.

Oberlandesgericht Hamburg am 9. September 2021 (AZ: 2 UF 43/21)