Beschlüsse Kinder

Kein Wechselmodell gegen den Willen der Kinder

05.10.2021

(red/dpa). Trennen sich Eltern, streiten sie häufig auch über den Umgang mit den Kindern. Muss das Gericht darüber entscheiden, ist das Kindeswohl das entscheidende Kriterium. Auch der Kindeswille spielt eine wichtige Rolle.

Die beiden Kinder leben seit der Trennung der Eltern bei der Mutter. Sie sahen ihren Vater regelmäßig in den ungeraden Wochen von samstags 10.00 Uhr bis zum folgenden Dienstagmorgen und in den geraden Wochen von Sonntag 17.00 Uhr bis zum folgenden Dienstagmorgen. Der Vater stellte sich jedoch ein wöchentliches Wechselmodell vor.

In dem Umgangsverfahren sprachen sich Mutter und Kinder dafür aus, die Regelung so beizubehalten, wie sie war. Die Kinder äußerten ausdrücklich den Wunsch, dass Ruhe einkehren solle.

Umgangsregelung: Können die Kinder entscheiden?
Das Gericht entschied in ihrem Sinne. Wenn sich die Eltern über den Umgang nicht einigen könnten, müsse das Gericht eine Regelung finden, die dem Wohl der Kinder am besten entspreche. Das sei hier die bestehende Regelung. Dabei maßen die Richter dem Wunsch der Kinder besonderes Gewicht zu. „Dem Kindeswillen kommt – abhängig vom Alter und von der individuellen Reife des Kindes – im Umgangsverfahren eine hohe Bedeutung zu. Langzeitstudien deuten darauf hin, dass ein den Kindern ‚aufgedrängter‘ Umgang von diesen als Belastung empfunden wird und das Verhältnis zum umgangsberechtigten Elternteil negativ beeinflusst“, erläuterte das Gericht.

Umgang: Gericht berücksichtigt Wunsch der Kinder
Der Kindeswille habe dabei eine doppelte Funktion. Zum einen sei er Ausdruck der empfundenen Personenbindung, die auch ohne Worte zum Ausdruck gebracht werden könne, also unabhängig vom Alter sei. Zum anderen sei er Akt der Selbstbestimmung, wobei diese Funktion mit steigendem Alter an Bedeutung gewinne. Im rechtlichen Sinne zu beachten sei der Kindeswille, wenn das Kind die Bedeutung des Umgangs verstehe und es einen stabilen und autonomen Willen gebildet habe.

Beide Kinder hätten auf alle Verfahrensbeteiligten einen reifen und sehr verständigen Eindruck gemacht. Sie wüssten, was die Umgangsregelung für sie bedeute und welche Positionen ihre Eltern verträten und hätten ausdrücklich erklärt, dass sie eine Änderung nicht wünschten.

Bei derart reifen und reflektierten Kindern, so die Richter, hielten sie es für außerordentlich problematisch, wenn ihnen nun eine von ihren Vorstellungen abweichende Umgangsregelung „gerichtlich verordnet“ würde. Das Gericht war überzeugt, dass es den Kindern, die unter dem Konflikt ihrer Eltern unzweifelhaft litten, am ehesten gerecht würde, wenn sie ihren Willen schlicht respektierten.

Oberlandesgericht Frankfurt am 06. Juli 2021 (3 UF 144/20)