Beschlüsse Kinder

Keine grobe Fahrlässigkeit: Mutter haftet nicht für Unfall des Kindes

22.05.2012

Eltern müssen gegenüber ihren Kindern nicht vorsichtiger sein, als sie dies in ihren eigenen Angelegenheiten sind. Dieses so genannte Haftungsprivileg gilt auch dann, wenn das Kind Opfer eines Unfalls wird. Einen entsprechenden Fall hatte jetzt das Oberlandesgericht Bamberg zu entscheiden.

Eine Mutter fuhr mit ihrem sechsjährigen Sohn mit dem Rad. An einer stark befahrenen Straße stiegen sie von ihren Rädern ab, um die Fahrbahn zu überqueren. Als die Mutter meinte, diese sei frei, machte sie eine leichte Vorwärtsbewegung. Dann bemerkte sie aber ein heranfahrendes Auto und blieb stehen. Das Kind nahm die Bewegung der Mutter jedoch zum Anlass, die Straße zu überqueren. Ein Auto erfasste den Jungen und verletzte ihn schwer, insbesondere am Kopf.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Autofahrerin war der Meinung, die Mutter sei zu 50 Prozent für den Unfall verantwortlich, da sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Sie hätte ihren Sohn an die Hand nehmen und den 200 Meter entfernten Fußgängerüberweg mit Ampel benutzen müssen. Zudem wäre für das Kind ein Fahrradhelm erforderlich gewesen.

Das Gericht wies die Klage der Versicherung ab, da es keine grob fahrlässige Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht sah. Eltern müssten gegenüber ihren Kindern nur so sorgfältig handeln, wie sie dies in ihren eigenen Angelegenheiten täten. Die Überquerung der Straße an der Unfallstelle sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Straße sei gut zu übersehen und der sechsjährige Junge habe sich bis zum Unfall im Straßenverkehr als zuverlässiger und geübter Fahrer gezeigt. Dass die Mutter sich bei der Einschätzung des Straßenverkehrs für den Bruchteil einer Sekunde geirrt und das Auto übersehen habe, könne nicht als grobe Fahrlässigkeit angesehen werden. Die Angabe der Mutter, für einen Moment durch die Sonne geblendet worden zu sein, werde durch die in der polizeilichen Ermittlungsakte beschriebenen Lichtverhältnisse bestätigt. Daher könne das Verhalten der Mutter höchstens als Augenblicksversagen angesehen werden. Auch den Einwand, dass das Kind keinen Helm getragen habe, ließen die Richter nicht gelten. Zum einen gebe es keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer. Zum anderen sei der Junge in der Unfallsituation nicht als Radfahrer, sondern als Fußgänger unterwegs gewesen, da er sein Rad geschoben habe.

Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Februar 2012 (AZ: 5 U 149/11)