Beschlüsse Kinder

Kinder zuhause unterrichtet – teilweiser Entzug des Sorgerechts

19.04.2022

(red/dpa). In Deutschland besteht Schulpflicht. Kommen Eltern dieser nicht nach, droht ein teilweiser Entzug des Sorgerechts. Über schulische Angelegenheiten entscheidet dann etwa das Jugendamt.

Die Eltern unterrichteten ihre beiden ältesten Kinder nach dem Konzept einer „Freien Christlichen Schule“ zu Hause. Sie gehören einer freikirchlichen Gemeinde an und wollten sicherstellen, dass ihre Kinder keinen Einflüssen ausgesetzt sind, die den Geboten Gottes zuwiderlaufen. So haben sie keinen Kontakt zu Kindern außerhalb ihrer Gemeinde, keinen Zugang zu Computer und Fernsehen.

Einen Antrag auf Befreiung der Kinder von der Schulpflicht hatte die Landesschulbehörde abgelehnt.

Was passiert, wenn Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schicken?
Das Amtsgericht verzichtete auf Maßnahmen mit der Begründung, dass bei den Kindern aktuell noch keine Defizite bei Wissensstand oder Sozialkompetenzen zu erkennen seien. Das Jugendamt legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht gab dem Jugendamt Recht. Es sah das Wohl der Kinder gefährdet und entschied, den Eltern das Sorgerecht teilweise zu entziehen. Die Eltern verloren das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten. Als Ergänzungspfleger trifft das Jugendamt statt der Eltern die Entscheidungen über den Schulbesuch. Es kann auch die Herausgabe der Kinder für den Schulbesuch erzwingen.

Kindeswohlgefährdung durch Verweigerung der Schulpflicht
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der unzureichenden Vermittlung von Wissen und sozialen Kompetenzen. Schon das Konzept ihrer Beschulung hätten die Eltern nicht plausibel beschreiben können. Die Kinder erhielten zu wenig Unterricht und seien später kaum in der Lage, einen staatlich anerkannten Schulabschluss zu erwerben.

Die Kinder könnten so auch nicht lernen, „sich mit andersgläubigen Menschen auseinanderzusetzen und sich in einer Umgebung durchzusetzen und zu integrieren, in der die Mehrheit der Menschen nicht entsprechend den Glaubensvorstellungen der Familie“ lebt.

Die Eltern wollten verhindern, dass die Kinder in der Schule von der Evolutionstheorie und Sexualkunde, der Gleichberechtigung von Mann und Frau erführen. Doch trotz dieser Unterrichtsstoffe könnten die Eltern ihre Kinder in Glaubensfragen nach eigenen Vorstellungen erziehen.

Oberlandesgericht Celle am 2. Juni 2021 (AZ: 21 UF 205/20)