Beschlüsse Kinder

Sorgerechtsentzug bei ausreichendem Verdacht massiver Kindeswohlgefährdung

22.12.2022

(red/dpa). Das Elternecht hat einen hohen Stellenwert. Eine Trennung des Kinds von seinen Eltern ist jedoch gerechtfertigt, wenn deren Fehlverhalten das körperliche, geistige oder seelische Kindeswohl tiefgreifend gefährdet.

Den Eltern war wegen des Verdachts erheblicher Misshandlung ihres nur wenige Monate alten Säuglings das Sorgerecht weitgehend entzogen worden. Das Kind hatte einen Spiralbruch des Oberschenkels sowie ein Subduralhämatom (Einblutung zwischen zwei Hirnhäuten) erlitten. Medizinische Gutachten ergaben, dass diese Verletzungen auf Misshandlungen im elterlichen Haushalt und nicht durch ein Unfallgeschehen oder eine Erkrankung des Kinds zu erklären seien. Das Oberlandesgericht hatte entschieden, dass das Wohl des Kinds bei seinen Eltern auch zukünftig erheblich gefährdet sein werde und hatte ihnen daher unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen.

Verdacht auf Misshandlung des eigenen Kinds -Sorgerechtsentzug
Der Vater habe den Oberschenkel seines Kindes mit massiver Gewalt verdreht und gebrochen. Ursache für das Subduralhämatom sei entweder eine gewalttätige Einwirkung eines der Elternteile auf den Körper des Kinds oder ein Sturz aus einer Höhe von mindestens 90 cm, bei dem der Kopf aufgeprallt sei. Wäre letzteres der Fall, hätten die Eltern dies bemerkt, ohne medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Eltern legten Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgericht ein. Sie sahen sich in ihrem Elternrecht verletzt.

Ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde der Eltern nicht zur Entscheidung an. Das Oberlandesgericht hat die Sachverhaltsklärung sowie die Einordnung und Bewertung korrekt und ausreichend vorgenommen. Die Richter hätten „als Maß für den Beweis einen Grad von Gewissheit ausreichen lassen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“. Ein höherer Grad an Gewissheit sei nicht notwendig.

So habe das Oberlandesgericht etwa mit Hilfe der der rechtsmedizinischen Sachverständigen die von den Eltern dargelegten alternativen Geschehensabläufe – eine Bewegung des Kinds oder eine Erkrankung – ausgeschlossen.
Entgegen der Behauptung der Eltern sei nicht zu erkennen, dass die Erläuterungen der Sachverständigen auf Vermutungen beruhten.

Bundesverfassungsgericht am 16. September 2022 (AZ: 1 BvR 1807/20)