Beschlüsse Kinder

Tante wichtige Bezugsperson – Heimaufenthalt trotzdem besser für Kindeswohl

01.06.2022

(red/dpa). Kinder sind unter Umständen in einer Einrichtung besser aufgehoben, wenn es dem Verwandten, bei dem sie leben, an Erziehungskompetenz fehlt. Will der Familienangehörige sie zu sich zurückholen, muss er nachweisen, dass es das Kindeswohl gefährdet, wenn die Kinder nicht zu ihm zurückkehren.

Die beiden Kinder leben in einer Einrichtung. Ihre Tante, Schwester des Vaters, forderte vom Jugendamt als dem Vormund der Kinder deren Herausgabe und die Rückkehr in ihren Haushalt.

Das Amtsgericht holte ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten ein und hörte unter anderem Tante, Vater und Jugendamt an. Es lehnte dann die Herausgabe der Kinder ab.

Heimkinder ohne familiäre Bezugsperson?
Die Tante legte Beschwerde ein. Man müsse die besondere Bindung der Kinder an sie berücksichtigen. Die Kinder sähen sie eher als Mutter denn als Tante an. Die weitere Unterbringung der Kinder in der Einrichtung berge die Gefahr, dass sich die Kinder von ihr entfremdeten und dann Heimkinder ohne eine familiäre Bezugsperson würden.

Ihr Bruder wohne nicht mehr bei ihr und es bestehe auch am Wohnort kein Kontakt mehr. Vielmehr stehe beim Vater die Verbüßung einer weiteren längeren Haftstrafe an. Sie würde alles tun, damit er möglichst nur begleitet in Kontakt mit den Kindern komme oder, soweit erforderlich, einen Kontakt auch gänzlich verhindern.

Das Jugendamt wies unter anderem darauf hin, dass nicht nur die Rückkehr des Vaters Ursache für die Unterbringung der Kinder gewesen sei. Es habe bereits zuvor mehrere Kinderschutzmeldungen gegeben. Nach den Aufenthalten in den Kriseneinrichtungen habe man immer wieder an einer dauerhaften Perspektive im Haushalt der Tante gearbeitet. So habe man Unterstützung geleistet mit dem Ziel, die erzieherischen Kompetenzen der Tante zu stärken.

Keine Rückkehr zur Tante – Kindeswohlgefährdung?
Das Oberlandesgericht entschied wie das Amtsgericht. Die Frau habe als Tante nicht dieselben rechtlichen Möglichkeiten wie Eltern. Sie könne sich lediglich auf die so genannte Verbleibensanordnung berufen (§ 1632 Abs. 4 BGB). Danach könne das Familiengericht anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson bleibe, wenn andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Entscheidend sei also, ob das Wohl der Kinder dadurch gefährdet sei, dass sie nicht in den Haushalt der Tante zurückkehrten. Dies sei eindeutig zu verneinen.

Auch die Willensäußerungen der Kinder ließen für diesen Fall nicht auf eine Kindeswohlgefährdung schließen. Zwar hätten die Kinder gesagt, es sei ihr Wunsch, wieder nach Hause, zur Tante, zurückzukehren. Eine stärkere Belastung oder sogar eine Kindeswohlgefährdung, bei einer Trennung von der Tante sei aber nicht zu erkennen. So habe das Jugendamt darauf hingewiesen, dass es den Kindern nach dem Umgang mit ihrer Tante jeweils gelänge, sich herzlich von dieser zu verabschieden und sich sofort und ohne Probleme wieder dem Geschehen in der Einrichtung zuzuwenden.

Ebenso wenig sei eine Entfremdung zu befürchten. Die Kinder hätten alle zwei Wochen Umgang mit ihrer Tante. Von den Familienangehörigen erhielten sie oft Post.

Oberlandesgericht Brandenburg am 26. Januar 2022 (AZ: 10 UF 77/21)