Beschlüsse Kinder

Wechselmodell setzt 50/50-Betreuung des Kinds voraus

28.06.2021

(red/dpa). Das paritätische Wechselmodell setzt die hälftige Beteiligung beider Elternteile an der Kinderbetreuung voraus. Eine Aufteilung von 45% zu 55% reicht hierfür bei weitem nicht aus.

Die getrenntlebenden Eltern haben eine gemeinsame, 2008 geborene Tochter. Sie stritten über den Anspruch der Tochter auf Kindesunterhalt gegenüber ihrem Vater. Die Eltern waren sich einig, dass die Mutter die Tochter zu 55% betreut, der Vater zu 45%.

Der Vater war daher der Meinung, die Eltern praktizierten ein „nahezu hälftiges Wechselmodell”. Deshalb könne die Mutter keinen Kindesunterhalt für die Tochter beanspruchen. Das sah das Gericht anders.

Da sich das Kind in ihrer Obhut befinde, könne die Mutter Unterhalt für die Tochter beanspruchen. Sie erfülle ihre Unterhaltspflicht bereits durch Pflege und Erziehung, daher sei nur der Vater barunterhaltspflichtig. Von einem echten, paritätischen Wechselmodell, das eine Barunterhaltspflicht beider Elternteile nach sich ziehe, könne hier nicht die Rede sein. Es handele sich lediglich um einen „erweiterten Umgang“ des Vaters.

Ein Elternteil betreut, der andere Elternteil bezahlt
Das Kind befinde sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem „der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liege“. Bei der Entscheidung, ob ein Kind im Residenzmodell oder Wechselmodell betreut werde, spiele der zeitliche Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kinds eine wichtige Rolle. Lasse sich dabei ein eindeutiges Übergewicht bei einem Elternteil feststellen, so sei dieser „Träger der Obhut“. Es reiche dafür aus, dass der Anteil eines Elternteils an Betreuung und Versorgung den Anteil des anderen geringfügig übersteige. Erst wenn jedes Elternteil etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben übernehme, sei ein Wechselmodell gegeben. Das umfasse auch die hälftige Aufteilung aller organisatorischer Dinge für das Kind, etwa die Organisation von Arztterminen, Schulveranstaltungen und Freizeitaktivitäten des Kindes ebenso wie Hol- und Bringdienste.

Kammergericht am 15. April 2019 (AZ: 13 UF 89/16)