Beschlüsse Scheidung

Muslimin oder Katholikin – Erstbestimmungsrecht der Eltern

29.03.2016

Hamm/Berlin (DAV). Eltern können über die Religionszugehörigkeit des eigenen Kindes entscheiden. Wird das elterliche Sorgerecht später entzogen, hat diese Entscheidung weiter Bestand

Die 1986 geborene Marokkanerin wurde 2007 Mutter. Direkt nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und brachte es in eine Bereitschaftspflegefamilie. Schon einen Tag nach der Geburt entzog das Gericht der Mutter teilweise das elterliche Sorgerecht, so das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge. Im darauffolgenden Jahr wurde der Frau das Sorgerecht vollständig entzogen. Vormund wurde das Jugendamt. Seit 2009 lebt das Kind inkognito bei einer Dauerpflegefamilie. Die Pflegeeltern haben ihre eigenen Kinder taufen lassen und erziehen sie nach christlichen Wertvorstellungen.

Erziehung des Kindes im muslimischen Glauben

Die Mutter des Pflegekindes, die Muslimin ist, hatte schon in dem Sorgerechtsverfahren direkt nach der Geburt ihres Kindes deutlich gemacht, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. Die Pflegeeltern und der Vormund wollten die Pflegetochter jedoch taufen lassen.

Der Vormund beantragte die familiengerichtliche Genehmigung seiner Entscheidung. Er begründete das damit, dass die Pflegefamilie dem römisch-katholischen Glauben angehöre und den Glauben im Alltag auch aktiv lebe. Ihr Pflegekind habe den Wunsch, in diesem Jahr zur Kommunion zu gehen. Derzeit werde es gemeinsam mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern darauf vorbereitet.

Das Familiengericht stimmte dem noch zu. Die Erziehung im römisch-katholischen Glauben entspreche dem Wohl des Kindes und seinem Wunsch. Das Kind bekenne sich mit Taufe und Kommunion zur Religion seiner Pflegeeltern. Dort lebe das Kind bereits seit über sechs Jahren.

Mutter hat Erstbestimmungsrecht

Das Oberlandesgericht hingegen gab der Beschwerde der Mutter statt. Diese habe noch vor dem vollständigen Entzug des Sorgerechts über die Religionszugehörigkeit ihres Kindes entschieden. An dieses Erstbestimmungsrecht der Mutter sei der Vormund gebunden. Die Frau habe zu diesem Zeitpunkt noch den Teil des Sorgerechts gehabt, der dazu berechtige, über die religiöse Erziehung zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund sei unerheblich, ob die Entscheidung aus derzeitiger Sicht dem Kindeswohl entspreche.

Ausdrücklich wiesen die Richter darauf hin, dass für die Bestimmung der Religionszugehörigkeit bereits „schlüssige Handlungen, die den Willen des früheren Erziehungsberechtigten ernstlich und endgültig deutlich erkennbar werden lassen“, ausreichend seien. So seien auch die schriftlichen und persönlichen Äußerungen der Mutter gegenüber Richter und Sachverständigen ausreichend, aus denen deutlich werde, dass ihr Kind im islamischen Glauben erzogen werden solle.