Beschlüsse Scheidung

Schwester kann Vormund für minderjährigen Flüchtling sein

20.03.2018

(DAV). Die volljährige Schwester eines minderjährigen Flüchtlings kann als Vormund ihres Bruders bestellt werden. Fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems sind kein zwingendes Gegenargument.

Der 2002 geborene Junge war mit seiner Familie aus Syrien in Libyen geflohen. 2016 gelangte er nach Deutschland. Auch seine ältere Schwester, bereits volljährig, hatte nach Deutschland fliehen können. Die Eltern der Geschwister hielten sich noch an einem sicheren Ort im Libyen auf. Beide Kinder wohnten in einer Flüchtlingsunterkunft. Der zuständige Kreis legte ein Schreiben vor, aus dem hervorging, dass nach Wunsch der Eltern die ältere Schwester sich um alle Angelegenheiten ihres jüngeren Bruders kümmern solle.

Das lehnte das Amtsgericht ab und bestellte das Jugendamt zum Vormund. Die Schwester des Jungen sei als Vormund nicht geeignet, da sie kein Deutsch und nur unzureichend Englisch spreche.

Verwandte haben als Vormund Vorrang
Das sah das Oberlandesgericht anders und bestellte die Schwester zum Vormund. Zum einen entspreche das dem Willen der Eltern und des Jungen selbst. Zum anderen kenne die Schwester als nahe Verwandte ihren Bruder am besten und könne so seine Interessen am besten wahrnehmen. Die beiden Geschwister hätten ein persönliches Vertrauensverhältnis.

Auswahl des Vormunds: Auch Neigung des Kinds zählt
Dazu erklärten die Richter: Das Vormundschaftsgericht müsse als Vormund eine Person auswählen, die unter Berücksichtigung ihrer gesamten Lebensumstände dazu geeignet sei. Gebe es mehrere geeignete Personen, müsse das Gericht die Neigung des Kinds, den mutmaßlichen Willen der Eltern und verwandtschaftliche Beziehungen berücksichtigen. Großeltern und nahe Verwandten hätten Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen, außer wenn dem Kindeswohl mit einer anderen Person als Vormund besser gedient sei.

Die Richter konnten keine Anhaltspunkte dafür entdecken, dass die Schwester nicht als Vormund geeignet war. Trotz fehlender Sprachkenntnisse sei sie offensichtlich in der Lage, ihre Angelegenheiten und diejenigen ihres Bruders zu regeln. So sei sie in der Lage gewesen, die entscheidende Urkunde, aus der der elterliche Wille hervorgeht, zu beschaffen und vorzulegen. Ebenso habe sie einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen und der ihres Bruders beauftragen können.

Oberlandesgericht Hamm am 13. Juni 2017 (AZ: 4 UF 31/17)