Beschlüsse Scheidung

Streit über den Kindergarten – ein Elternteil entscheidet

30.04.2019

(red/dpa). Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit nicht einigen, kann das Gericht die Entscheidungsbefugnis hierfür einem Elternteil übertragen. Für das Gericht ausschlaggebend ist dabei das Kindeswohl.

Die getrenntlebenden Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht für ihren Sohn. Dieser lebt bei der Mutter, die auch entschieden hat, dass der Junge einen Waldorf-Kindergarten besucht. Seit Sommer 2017 besucht er diesen Kindergarten. Der Vater war damit jedoch nicht einverstanden. Er lehnte ausdrücklich und mit umfassender Begründung den Waldorfkindergarten und dessen Pädagogik ab. Mit dem Besuch jedes anderen Kindergartens sei er einverstanden. Er bevorzuge den Besuch einer Einrichtung, die in der Nähe des Wohnorts seines Sohns liege. Dort habe er unter anderem im Kindergarten mit Montessori-Ausrichtung einen Platz reserviert.

Die Mutter beantragte, ihr die Entscheidungsbefugnis zur Auswahl des Kindergartens zu übertragen. Das Amtsgericht entschied in ihrem Sinne, weswegen der Vater Beschwerde einlegte.

Kindergarten – Wechsel belastet Kind zusätzlich
Ohne Erfolg. Was die Auswahl der Kindergärten angehe, so seien beide Positionen vertretbar, beide Elternteile hätten nachvollziehbare Argumente. Das Gericht habe nicht zu entscheiden, welche Position vorzuziehen sei. Die Mutter erhalte die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl „aufgrund der inzwischen eingetretenen, tatsächlichen Gegebenheiten“. Der Sohn besuche den Waldorfkindergarten bereits und habe sich dort eingelebt. Dass ein Wechsel des Kindergartens und seiner Pädagogik sinnvoll sei, erschließe sich nicht ohne weiteres. Nach Schilderungen der Beteiligten reagiere das Kind zunehmend empfindlich auf den Streit seiner Eltern. Daher sollte ihm Stabilität vermittelt werden und ihm gerade kein Wechsel des Kindergartens zugemutet werden.

Kindergartenauswahl: Betreuender Elternteil stärker betroffen
Auch die Betreuungssituation der Mutter spreche dafür, dass sie über den Kindergarten entscheiden könne. Als im Alltag betreuender Elternteil trage sie die Konsequenzen: Das gelte für die Fahrwege ebenso wie für die Auswirkungen der angewandten Pädagogik.

Dass die Mutter unwahre Angaben gemacht hatte, änderte nichts an der Entscheidung des Gerichts. So hatte sie unter anderem längere Öffnungszeiten des Kindergartens behauptet und bestritten, dass in ihrem Wohnort ein Kindergartenplatz zur Verfügung stünde. Dies hatte der Vater jedoch sichergestellt. Das Gericht führte aus: „Damit ist fraglich, ob die Kindesmutter am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen vermag. Jedoch ist ein Bestrafen der Kindesmutter für Fehlverhalten nicht möglich, da alleiniger Maßstab das Kindeswohl ist.“

Insgesamt erscheine der Vater zwar grundsätzlich besser geeignet, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen. Seine Kindergartenwahl berücksichtige den kürzeren Weg für seinen Sohn und ermögliche die konfliktfreie Beibehaltung der bestehenden Umgangsvereinbarung. Er scheine seine Entscheidungen an den Bedürfnissen seines Sohns auszurichten. Aufgrund des Zeitablaufs und der Eingewöhnung des Kinds im aktuell besuchten Waldorfkindergarten entspreche jedoch nun ein Wechsel des Kindergartens nicht mehr dessen Wohl.

Oberlandesgericht Hamm am 25. Mai 2018 (AZ: II-4 UF 154/17, 4 UF 154/17)