Beschlüsse Unterhalt

Abänderung des Umgangs in Wechselmodell – Kindeswille alleine nicht entscheidend

30.04.2019

(red/dpa). Hat ein Familiengericht in einer Erstentscheidung ein Umgangsmodell festgelegt, soll dieses später nicht ohne weiteres abgeändert werden. Dies betrifft insbesondere die Abänderung eines Residenzmodell in ein Wechselmodell. Dafür müssen triftige Gründe vorliegen.

Der Kindeswille stelle dabei nur einen von mehreren Gesichtspunkten bei der Ermittlung des Kindeswohls dar, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Änderung des Residenzmodells in paritätisches Wechselmodell?
Nach der Trennung der Eltern von drei Kindern kam es zu einem Sorgerechtsverfahren. Das Familiengericht übertrug dabei im Frühjahr 2014 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kinder der Mutter (so genanntes Residenzmodell). Daraufhin zog die Mutter mit den vier und fünf Jahre alten Kindern aus dem gemeinsamen Familienwohnhaus aus.

Im Sommer 2016 beantragte der Vater, die Entscheidung abzuändern und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Vor dem Familiengericht scheiterte er. Die Kinder hatten sich im Rahmen der Anhörung für einen künftigen Aufenthalt beim Vater ausgesprochen.

Wegen des hilfsweise gestellten Antrags des Vaters, ein Wechselmodell anzuordnen (wöchentlicher Wechsel der Kinder zwischen den getrennten Eltern), kam es zum Umgangsverfahren. Das Familiengericht lehnte die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ab. Es ordnete jedoch einen "ausgedehnten Umgang" mit den Kindern an. Die Kinder sollten sie sich regelmäßig alle 14 Tage von Donnerstag 17:00 Uhr bis montags zum Schulbeginn bei ihm aufhalten. Dagegen legte der Vater Beschwerde beim Oberlandesgericht in Frankfurt ein, jedoch ohne Erfolg.

Kindeswohl bei Umgangsregelung entscheidend
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen keine triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründe für die Anordnung eines Wechselmodells vor (§ 1696 Abs. 1 BGB). Maßstab sei die gesetzliche Regelung. Diese solle sicherstellen, dass bereits getroffene gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen abgeändert würden. Es geht um dem Prognosecharakter jeder am Kindeswohl orientierten Entscheidung einerseits und der Verbindlichkeit gerichtlicher Entscheidungen andererseits.

Daher hat das Oberlandesgericht die Erstentscheidung zur Aufenthaltsbestimmung durch die Mutter auch im hiesigen Umgangsverfahren zugrunde gelegt. Die Voraussetzungen für eine Änderung aus Gründen des Kindeswohls lagen nicht vor.

Jede Umgangsentscheidung richtet sich im Einzelfall an den allgemeinen Kindeswohlkriterien aus. Neben dem Kindeswillen zählen die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kinds an die Eltern, die Bindungstoleranz, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität dazu. Der Kindeswille stellt somit nur einen von mehreren Gesichtspunkten bei der Ermittlung des Kindeswohls dar.

Natürlich hat ein nachdrücklicher und beständig geäußerter Kindeswille in der Regel mehr Gewicht als ein schwankender, unentschlossener Wille. Bei zunehmendem Alter bekommt auch die Einsichtsfähigkeit eine höhere Bedeutung.

Autonomer Kindeswille nur eines von mehreren Kriterien
Wichtig ist aber, dass der geäußerte Wille ein autonomer Wille des Kinds ist. Daran zweifelte das Gericht. Die noch jungen Kinder hatten zwar wiederholt und in verschiedenen Anhörungssituationen geäußert, im Haushalt des Vaters leben zu wollen. Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen müsse man aber davon ausgehen, dass der Wille der Kinder nicht autonom gebildet wurde.

Den sachverständigen Ausführungen nach falle es dem Vater schwer, seine Bedürfnisse von den Bedürfnissen der Kinder zu trennen. Dadurch dass sie auf die Bedürfnisse des Vaters reagierten, erlebten sie nicht ihre eigenen Bedürfnisse. Sie würden somit nur lernen, sich in die Bedürfnisse des Vaters einzufinden und darauf zu reagieren.

Die Vorzüge des Wohnens beim Vater – etwa das Haus, der Garten, die Spielmöglichkeiten und ein Haustier – spielten ebenso eine Rolle für den Kindeswillen. Dadurch ließen sich Kinder leicht beeinflussen und instrumentalisieren. Auch wenn es wie hier eine emotionale Bindung zum Vater gebe, sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass sich beim Vater starke Beeinflussungs- oder gar Instrumentalisierungstendenzen gezeigt hätten.

Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde ist unter dem Aktenzeichen XII ZB 512/18 beim BGH anhängig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 16. Oktober 2018 (AZ: 1 UF 74/18)