Beschlüsse Unterhalt

Anspruch auf anwaltliche Unterstützung bei komplizierten Verfahren

16.06.2010

Wer als Elternteil einen Rechtsstreit führt, hat Anspruch auf anwaltliche Vertretung – auch auf Kosten der Staatskasse. Das gilt dann, wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage Unterstützung erfordert, der Beteiligte für die Kosten aber selber nicht aufkommen kann. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Dresden für einen Vater, der sich gegen eine Zustimmungsersetzung durch das Familiengericht (FamG) wehrte. Das Gericht hatte gegen seinen Willen erlaubt, mit einer Hormonbehandlung für sein Kind zu beginnen.

Ein kleinwüchsiges 13-jähriges Kind sollte auf Wunsch der Mutter mit einer Hormontherapie beginnen. Die Eltern lebten zwar getrennt, teilten sich aber das Sorgerecht für ihr gemeinsames Kind, das seit Januar 2009 in einem Kinderheim lebt. Als der Vater von der geplanten Hormontherapie erfuhr, verweigerte er seine Zustimmung. Die Mutter des Kindes wandte sich daher an das Familiengericht und forderte, die Zustimmung des Vaters durch eine Gerichtsentscheidung zu ersetzen. Das Familiengericht musste unter erheblichen Zeitdruck entscheiden, denn die Hormonbehandlung konnte nur bis zum Beginn der Pubertät begonnen werden. Nachdem es zwei ärztliche Gutachten sowie die Zustimmung des Jugendamtes eingeholt hatte, entschied es für die Behandlung. Dagegen legte der Vater sofortige Beschwerde ein. Das Familiengericht gewährte ihm daraufhin Verfahrenskostenhilfe; die Beiordnung eines Rechtsanwalts lehnte es allerdings ab.

Das sah das OLG Dresden jedoch anders: Dem Vater wurde eine Wahlanwältin beigeordnet, da „die anwaltliche Vertretung wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten“ sei. Die Richter maßen dem Verfahren schon allein wegen des Zeitmangels einen erheblichen Schwierigkeitsgrad zu. Sie hätten keinen Zweifel daran, dass die Sache einerseits nicht einfach sei, andererseits die Beteiligten an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stießen. Selbst für deutlich „geschäftsgewandtere Beteiligte“ wäre die Angelegenheit rechtlich und tatsächlich so schwierig, dass eine anwaltliche Vertretung erforderlich sei.

Dabei richte sich die Gewährleistung von Rechtsschutz auf Kosten der Staatskasse nicht bloß danach, ob auch die Gegenseite im Verfahren anwaltlich vertreten sei – also nach dem Prinzip der „Waffengleichheit“. Maßgeblich sei vielmehr die „Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage“. Dabei sei entscheidend, ob der Beteiligte nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage sei, zu den Streitfragen auch ohne anwaltliche Vertretung Stellung zu nehmen. Das Verfahren ist dabei einem objektiven Maßstab zu unterwerfen: Es darf daher nicht gefragt werden, ob der Beteiligte den Rechtsstreit für schwierig hält, sondern ob er das Verfahren aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht selber führen kann.

Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Juni 2010 (Az: 20 WF 460/10)