Beschlüsse Unterhalt

Kindesunterhaltszahlung Vorrang vor Erstausbildung?

26.07.2022

(red/dpa). Ein Elternteil kann verpflichtet werden, eine Erstausbildung aufzuschieben, um den Mindestunterhalt für sein Kind zahlen zu können. Das gilt etwa dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und mit seiner derzeitigen Arbeit sein Einkommen und den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.

Das Amtsgericht hatte entschieden, dass der Vater für seinen 2018 geborenen Sohn Mindestunterhalt zahlen muss. Bis März 2019 hatte der Mann monatlich 634 Euro Unterhalt gezahlt. Von da an bis Juli bezog er Arbeitslosengeld II. Im August begann er eine Erstausbildung. Das ausbildende Unternehmen kündigte ihm jedoch zum Ende November. Danach, so der Mann, habe er keine Stelle mehr bekommen.

Keine Unterhaltszahlung wegen Ausbildung?
Seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts blieb erfolglos. Der Mann hatte argumentiert, er befinde sich seit Anfang 2021 in einer Umschulung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Während dieser Ausbildung erhalte er lediglich rund 910 Euro monatlich. Er war der Ansicht, deshalb müsse ab Januar 2021 seine Unterhaltspflicht entfallen.

Ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass er als Vater seinem minderjährigen Kind gesteigert unterhaltsverpflichtet sei. Das heißt, er müsse “in jeder ihm möglichen und zumutbaren Art und Weise zu dessen Unterhalt beitragen“. Bei der Berechnung seiner Leistungsfähigkeit sei nicht allein von den tatsächlichen, sondern vielmehr auch von den erzielbaren Einkünften auszugehen. Das gelte dann, wenn seine Bemühungen, eine Arbeit zu finden, nicht ausreichend seien und für ihn eine hinreichend reale Beschäftigungsmöglichkeit bestehe.

Kindesunterhalt kann Vorrang vor Erstausbildung haben
Das Interesse an einer Erstausbildung wiege weniger als das Interesse des Kinds auf Unterhalt, wenn der Unterhaltspflichtige bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen habe und er in der Lage sei, eine Tätigkeit auszuüben, mit der er Einkommen und Mindestunterhalt erwirtschaften könne. So liege der Fall auch hier.

In seinem letzten Beschäftigungsverhältnis war der Mann mit einem Stundenlohn von 10,39 Euro beschäftigt. Dieser hätte schon bei geringfügiger Ausweitung seiner 40-Stunden-Tätigkeit die Zahlung des Mindestunterhalts ermöglicht.

Die Richter erkannten den Willen des Manns an, durch eine abgeschlossene Berufsausbildung langfristig besser zum Unterhalt seines Kinds beitragen zu können. Angesichts von vier abgebrochenen Erstausbildungen habe jedoch das derzeitige Interesse seines Sohns an einer Unterhaltsleistung Vorrang. Ein fünfter Versuch müsse später oder zu einem Zeitpunkt absolviert werden, wenn der Mann in der Lage sei, den Mindestunterhalt auch parallel zu leisten.

Oberlandesgericht Köln am 08. Juni 2021 (AZ: 10 UF 24/21)