Beschlüsse Unterhalt

Nach Adoption kein Umgangsrecht für Geschwister

12.07.2012

Die Geschwister, ein Junge und ein Mädchen, wuchsen zunächst getrennt auf. Das Mädchen war zu Beginn ganz überwiegend in einer Pflegefamilie. Nachdem es wieder in den Haushalt der Mutter wechseln konnte, lebte sie auch mir ihrem Bruder zusammen. Im Jahr darauf nahm das Jugendamt die Kinder in Obhut. Nach einem Aufenthalt in einem Kinderheim lebten die Geschwister in einer therapeutischen Wohngruppe. Kurz darauf wurde der Mutter das Sorgerecht teilweise entzogen und die Bereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Antragsrecht dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Zwei Jahre später willigte die Mutter in die Adoption der Tochter ein. Seit 2008 lebt sie im Haushalt der Adoptiveltern. Zum Zeitpunkt der Adoption waren der Junge acht und das Mädchen sechs Jahre alt.

Die Geschwister hatten weder persönlichen Umgang noch Kontakt. In der Folgezeit entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen der leiblichen Mutter, dem damaligen Ergänzungspfleger sowie Mitarbeitern des Jugendamtes einerseits und den Adoptiveltern andererseits. Dabei ging es um die Frage, ob Umgang und Kontakt der Geschwister für deren Wohl förderlich sei seien und welche Bedeutung Absprachen hätten, die die leibliche Mutter und die Adoptiveltern zu Beginn des Adoptionsverfahrens hierzu getroffen hatten.

Das OLG hat ein Umgangsrecht des leiblichen Bruders abgelehnt, da mit der Adoption alle bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse erlöschen, sodass er im Rechtssinn nicht mehr der leibliche Bruder des Mädchens ist. Mit dem Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses durch die Adoption erlösche auch das Recht der Geschwister und sonstigen Verwandten auf Umgang mit dem Adoptivkind. Auch habe der Bruder für seine Schwester keine Verantwortung im eigentlichen Sinne getragen. Zum Zeitpunkt der Trennung waren die Geschwister acht und sechs Jahre alt. Zwar möge der Bruder in einem kindlich-spielerischen Sinn gelegentlich der "Beschützer" seiner kleinen Schwester gewesen sein. Die Übernahme von Verantwortung im eigentlichen Wortsinn bedeute dies jedoch nicht. Diese könne allenfalls bei älteren Geschwistern mit größerer Reife in Betracht kommen.

Darüber hinaus dürfe das Umgangsrecht nicht in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Adoption treten. Ziel der Volladoption sei die vollständige Eingliederung und Sozialisation des Kindes in der Adoptivfamilie. Etwas anderes könne sich nur ergeben, wenn ohne Umgang mit dem Geschwisterkind das Wohl des adoptierten Kindes gefährdet sei. Dabei aber sei nicht zu prüfen, ob gegen den generell kindeswohlförderlichen Geschwisterumgang ausnahmsweise besondere Gründe sprächen. Vielmehr komme es darauf an, ob das Kindeswohl durch den unterbleibenden Umgang mit ihrem Bruder konkret gefährdet sei.

Der vorliegende Fall sei gekennzeichnet durch eine abrupte Geschwistertrennung, die generell Risiken für das Kindeswohl beinhalte. Die Geschwister dürften einen stärkeren Bezug zueinander gehabt haben, weil die Eltern weitgehend nicht präsent gewesen seien. Daher könne der plötzliche Beziehungsabbruch zu ihrem Bruder auch für das Mädchen möglicherweise mit nicht zu unterschätzenden Wirkungen für die künftige Herausbildung einer eigenen Identität verbunden sein. Zu beachten seien andererseits aber auch Hinweise, nach denen es in der Vergangenheit offenbar deutlich unangemessene Verhaltensweisen des Bruders gegenüber seiner Schwester gegeben haben soll. Die Zurückhaltung der Adoptiveltern sei auch von der nachvollziehbaren Befürchtung getragen, dass die leibliche Mutter, die die Adoptionsfreigabe zwischenzeitlich bereue, versucht sein könnte, die Tochter gegenüber den Adoptiveltern negativ zu beeinflussen. Ein Umgang würde eine nicht hinzunehmende Belastung für die Adoptivfamilie darstellen.

Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 12. Oktober 2011

(AZ: 21 UF 581/11)