Beschlüsse Unterhalt

Unterhalt kann nach fiktivem Einkommen berechnet werden

04.11.2020

(red/dpa). Wer keinen Unterhalt zahlt, weil er keine Arbeit hat, muss nachweisen können, dass er sich ausreichend um eine Tätigkeit bemüht. Ist das nicht der Fall, kann sich die Berechnung des Unterhalts an einem fiktiven Einkommen orientieren.

Der Vater des 2011 geborenen Jungen sollte Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts zahlen. Der Mann war der Meinung, nicht leistungsfähig zu sein, da er keine Arbeit hatte. Er habe sich erfolglos um eine Arbeitsstelle bemüht. Zu berücksichtigen sei dabei, dass er den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule habe. Für anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit oder Arbeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, sei er nicht geeignet. Hinzu kämen seine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen.

Unterhaltspflichtiger muss eigene Arbeitskraft optimal einsetzen
Der Mann muss trotzdem den Mindestunterhalt zahlen. Gegenüber seinem Sohn hat er eine so genannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er ist verpflichtet, die eigene Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, um den Unterhalt zahlen zu können. „Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen“, so das Gericht.

Arbeitslos und unterhaltspflichtig: 20 bis 30 Bewerbungen monatlich zumutbar
Der Vater habe sich jedoch nicht ausreichend darum bemüht, eine Arbeitsstelle zu finden. Zu diesen Bemühungen gehörten neben der Meldung beim Arbeitsamt Bewerbungen auf Stellenangebote und eigene Stellenannoncen. Dem Arbeitssuchenden seien 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zuzumuten. Er müsse praktisch die gesamte Zeit, die ein voll Erwerbstätiger berufstätig sei, für die Arbeitssuche aufwenden. Dabei dürften sich die Bemühungen nicht auf seinen Wohnort beschränken. Schon die Zahl der Bewerbungen, die der Mann dem Gericht genannt hatte, reichten nicht aus.

Vor diesem Hintergrund müsse der Mann so behandelt werden, als habe er eine Arbeit. Entsprechend sei das fiktive Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit anzurechnen, entschieden die Richter. Seine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und sein schulischer wie beruflicher Werdegang müsse man dabei berücksichtigen. Daher orientiere sich das erzielbare Einkommen am gesetzlichen Mindestlohn. Allerdings müsse man bei der der Bemessung nicht von den untersten beruflichen Möglichkeiten ausgehen, sondern von einer nach seinen Fähigkeiten gut bezahlten Stelle.

Unterhaltsrechtlich sei der Mann verpflichtet, vollschichtig zu arbeiten. Eine Ausweitung der Tätigkeit auf bis zu 48 Stunden in der Woche, was auch Tätigkeit am Samstag beinhalten würde, könne man nicht von ihm verlangen. Zum einen weil er alle 14 Tage am Wochenende Umgang mit seinem Sohn habe, zum anderen, weil wegen der gesundheitlichen Einschränkungen die Phasen der körperlichen Regeneration nicht zu knapp bemessen werden dürften.

Brandenburgisches Oberlandesgericht am 27. Juni 2019 (AZ: 10 UF 139/17)